Humanressourcen

einwohner
Beiträge: 58

Humanressourcen

Beitragvon einwohner » Mi 11. Jul 2012, 23:01

Wo sind sie denn, die Humanressourcen? Nach gut einem Tag sind 650 Zugriffe auf diesem Forum registriert worden. Interessierte Leser sind also vorhanden.
Aber wo sind die Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Umweltverbänden, Kirchen, Gewerkschaften und Medien?
Halten sie sich zurück, um dem Volk erst mal aufs Maul zu schaun?
Ende vergangenen Jahres berichtete der NDR: "Backhaus will neuen Masterplan für Tiermast".
Es gibt aber Betroffene der bisherigen Regierungspolitik, die den Auswirkungen der Massentierhaltung schon jetzt ausgesetzt sind oder ihnen in absehbarer Zeit ausgesetzt sein werden.
Denen hilft im Moment kein Perspektivplan. Schön wäre es, wenn sie sich trotzdem zu Wort melden würden.
Jan Reimond aus dem Umfeld der 400.000 Hühnermastanlage ist da eine Ausnahme.

Ansonsten vertreten hier "Landmaus" u. "landkind" die vom Ministerium vorgegebene Masterplanrichtung:
"es sind nicht unbedingt die größeren Tierhaltungsanlagen, die uns besorgt werden lassen sollten" u.
"Ich moechte aber eimal anregen darueber nachzudenken wer dort Arbeit finden kann? Es sind sicherlich nicht Menschen wie Sie und ich mit guter, fundierter Ausbildung, oertlich flexibel, weil finaziell unabhaengig,
sondern oftmals Menschen die vielleicht durch Haus und Grund gebunden, durch mangelhafte Ausbildung zusaetzlich unbeweglich in den angrenzenden Doerfern ihre Heimat haben."

Der erste Beitrag im Forum kam vom Agrarmarketing Mecklenburg-Vorpommern e.V. (AMV). "weuffen" betonte, dass sie sich vollkommen mit den "Schlaglichtern" auf dieser Homepage identifizieren.
Wie könnte das auch anders sein! Auf meinen Hinweis auf ein Zitat des Deutschen Bauernverbandes zur modernen Schweinehaltung und Fleischerzeugung, die dringend ein besseres Image braucht, kam die Antwort: dass hier jemand "einfach drauf schlägt und die gesamte Branche verunglimpft". Peinlich.
Denn die Veränderung der Ernährungsgewohnheiten in Europa u. der Welt hat verschiedene Folgen, die auch der AMV nicht ignorieren kann.
Der Fleischkonsum in Europa ist rückläufig, steigt aber enorm in Asien. Deutschland ist Europameister im Schweineexport.
Die Gülle u. andere Belästigungen für die hiesigen Humanressourcen bleiben im Land. Es wird immer schwieriger werden, dafür hier eine Akzeptanz zu finden.
Die Einwohner in MV sind inzwischen (2 Jahrzehnte nach der Wende) eine Mischung aus Hiergebliebenen u. Zugezogenen. Auch wenn unser Land bei den Patentanmeldungen den letzten Platz im Bundesvergleich belegt, sollte das kein Grund sein, die Menschen hier für dumm zu verkaufen.
Das "Teile u. Herrsche - Prinzip" nutzt zwar den Investoren, schadet aber beträchtlich dem sozialen Klima in den Dörfern.
Eine grundsätzliche Frage sollte unbedingt geklärt werden:
Wer hat im demokratischen MV das Sagen, die Mehrheit der menschlichen Bewohner oder die Verwalter von Land, Tier u. Technik?
2011-04-25-Fernsehen-MI.jpg

Schwalbe
Beiträge: 34

Re: Humanressourcen

Beitragvon Schwalbe » Do 12. Jul 2012, 22:53

Sparen ist teuer! Dieser Spruch ist bezeichnend für die Bildungspolitik in M-V. Lehrermangel, Stundenausfall, zu große Klassen- viele Kinder, besonders aus sozial schwachen und (wie man es nennt) bildungsfernen Familien fallen durch das Schulsystem und landen erst an den Förderschulen, dann an den Berufsbildungswerken und dann bei Hartz IV. In manchen Regionen nimmt diese Entwicklung bedrohliche Ausmaße an. Gut ausgebildete Menschen verlassen M-V, weil es hier an Perspektiven fehlt und anderswo Arbeit besser bezahlt wird. Ich frage mich, ob wir uns das auf Dauer leisten können. Herr Brodkorb, unser Bildungsminister, ist nicht zu beneiden.

Landmaus
Beiträge: 13

Re: Humanressourcen

Beitragvon Landmaus » So 15. Jul 2012, 10:32

Bei all dem Frust, der aus ihren Beiträgen spricht und zum Teil nachzuvollziehen ist, nehmen sie aber auch zur Kenntnis, dass in der Landwirtschaft niemand mehr den "Dummen zu Hause gebliebenen " braucht. Wir bilden jedes Jahr Lehrlinge aus und nehmen uns auch derer an, die eigentlich vom Bildungsstand eher nicht zur modernen Landwirtschaft passen, aber im Notfall bekommen sie auch nach einer verhauenen Prüfung noch die Zeit, sich auf die Nachprüfung vorzu bereiten. Aber man sollte akzeptieren, dass Ein Traktor zwischen 80 und 180 T€ kostet, ein Mähdrescher zwischen 180 T und 250T€, ein moderner Melkstand geht bei 500 T€ los und kann gut bis zu 1 Mio€ kosten. Auf solche moderne Technikausstattung setzt niemand den ländlichen Dummerjahn. Hier braucht man Leute, die eine Gebrauchsanleitung nicht nur lesen sondern auch verstehen und umsetzen können.
Bei den Vorschriften rund um das Thema Pflanzenschutzmitteln, Medikamenteneinsatz, Tierkennzeichnung und so weiter sind wir so sehr auf jeden Mitarbeiter und seine Gewissenhaftigkeit angewiesen, dass eine ständige Weiterbildung und Eibeziehung in alle betrieblichen Prozesse unumgänglich sind. In MV werden junge Leute zu Facharbeitern ausgebildet, die diesen Namen auch verdienen, es gibt die Möglichkeit, in Güstrow auch neben seinem Facharbeiter die Hochschulreife zu erlangen und weiterführende Studienmöglichkeiten befinden sich in Neubrandenburg und Rostock. Es ist nicht gut, in Bausch und Bogen undifferenziert alles zu verdammen- zumal wenn man das nur aus seinem Gefühl und nicht mit der nötigen Fachkenntnis machen kann.

Schwalbe
Beiträge: 34

Re: Humanressourcen

Beitragvon Schwalbe » So 15. Jul 2012, 11:03

@Landmaus: Keine Frage, die Landwirtschaft braucht gute Leute. Ich bin mir auch sicher, dass es landwirtschaftliche Betriebe gibt, die gut ausbilden und weiß um die Möglichkeiten, sich beruflich weiter zu qualifizieren. Ich wollte nur darauf aufmerksam machen, dass wir es uns in M-V meiner Meinung nach leisten, dass Kinder mit einem eher ungünstigem Hintergrund (sozial schwache und "bildungsferne" Familien) ohne wirkliche Chancen auf eine gute Bildung bleiben. Der oben beschriebene Weg ist oft schon zur Einschulung vorgezeichnet. Klar, immer bestätigen Ausnahmen die Regel. Aber diese Tendenz beobachte ich seit Jahren. Wie ich in der Zeitung gelesen habe, sind auch landwirtschaftliche Unternehmen von Nachwuchssorgen betroffen. Und gleichzeitig gibt es hier zu viele junge Leute, die nach der Schule nicht in der Lage sind, eine normale Lehre zu absolvieren. Bitte versuchen Sie doch nicht immer, anderen die Fachkenntnis abzusprechen. Hier geht es um einen Austausch, der offen geführt werden soll. In meinem Bekanntenkreis befinden sich einige Landwirte, und auch bei ihnen gehen die Meinungen zu den hier behandelten Themen zum Teil extrem auseinander. Es ist doch nicht so, dass Landwirte und der Rest der Bevölkerung auf verschiedenen Seiten stehen. Auch innerhalb der Bauernverbände wird kontrovers diskutiert. So hat sich der Bauernverband des ehemaligen Müritzkreises vor einiger Zeit gegen weitere Massentierhaltungsanlagen positioniert.

Landmaus
Beiträge: 13

Re: Humanressourcen

Beitragvon Landmaus » So 15. Jul 2012, 18:31

ok. schwalbe, nehme ich so hin, aber als aktiver Landwirt wird man in den Medien so oft diffarmiert und muß sich für Dinge rechtfertigen, die gesellschaftlich gemacht sind, dass man schon oft auf Abwehr gebürstet ist.
Zuletzt geändert von Landmaus am Do 15. Nov 2018, 19:21, insgesamt 1-mal geändert.

Jan Reimond
Beiträge: 5

Re: Humanressourcen

Beitragvon Jan Reimond » So 15. Jul 2012, 21:12

Erst kürzlich wurde eine bundesweite Statistik veröffentlicht. MV hat noch immer die meisten Schulabbrecher, ich meine ca. 20-25 %. Die Zahl geht zwar überall zurück, aber gerade dieses Land kann es sich doch überhaupt nicht leisten, wenn jeder 5. der wenigen Jungen (meist wohl Männer), die hier überhaupt noch die Schulbank drücken, ohne Abschluß abgehen. Im ländlichen Raum bleibt diesen Leuten doch nur HartzIV, weil sich der Niedriglohn- und Saisonjob mit Winter-Arbeitslosigkeit aus deren Sicht "nicht lohnt". Und dann ist der Weg zur NPD nicht mehr weit.
Mit intensiver Nachhilfe, kleinen Klassen und schulpsychologischer sowie Elternbetreuung kann nachweislich dem Schulabbruch vorgebeugt werden.
Wenn ich aber weiß, daß das Landwirtschaftsministerium für eine Intensivmastanlage (2x200 000 Hähnchen), die laut Antrag exakt 2x1 Arbeitsplatz schafft sowie "mehrere Aushilfsjobs", 1 Mio. € Beihilfen = 1 000 000 € !! zuschießt, geht mir der Hut hoch.
Pro Arbeitsplatz fördert das Haus Backhaus die Anlage mit 500 000 € aus Steuergeldern. Das ist Wahnsinn.

In der "Veredelung" z.B. Schlachthöfe werden Jammerlöhne von 3,50 €/Std. hingenommen (2011 beim Schlachthof Neubrandenburg, an der die Familie der zurückgetretenen niedersächsischen CDU-Agrarminsterin Grotelüschen beteiligt ist). Auch hier fließen Beihilfen. Wieviele Stellen könnte man in seriösen landwirtschaftlichen Unternehmen fördern, in innovativen Projekten etc.
Nach oben