MENSCH UND LAND 1.0

einwohner
Beiträge: 58

MENSCH UND LAND 1.0

Beitragvon einwohner » Mi 31. Okt 2012, 19:43

Das Grundlagenpapier MENSCH UND LAND 1.0 der Expertenkommission liegt vor.
Ich eröffne den Diskussionsprozess mit einer Frage, in der Hoffnung, dass diese etwas zum Verständnis der vorgegebenen Strukturierung beitragen kann:

Egal, ob im öffentlich rechtlichen Fernsehen "Die Jagd nach Land: Das globale Geschäft mit fruchtbarem Boden" oder "Schweine für den Müllcontainer - Warum es zu viel Fleisch gibt" oder eine anderer Bericht zur real existierenden Landwirtschaft auch u. gerade in MV gesendet wird, die eine Frage bleibt:
wie kann die Regierung MVs ohne rot zu werden den Slogan "MV tut gut" hochhalten?
Und wenn diese drei Worte auch bei der Expertenkommission nicht nur als Titel der Arbeitsgruppe 1 herhalten müssen, sondern auch noch mit der Aussage untersetzt sind, der ländliche Raum sei keine Problemzone, dann weiß man in etwa, wohin der Hase zu laufen hat.
Denn der Titel stimmt: "MV tut gut", z.B. dem Schweineproduzenten Straathof, dem die zu mehr als 50% landeseigene LMS seine Ferkelfabrik gegen den Willen der Einwohner zur Genehmigung gebracht hat.
Die Genehmigung der Ferkelfabrik wurde ausdrücklich mit dem Verweis auf die Imagekampagne "MV tut gut" erteilt.
Dadurch wurde diese Region zu einer Problemzone, in der sich nicht nur der soziale Frieden gewandelt hat, sondern vor allem der Glaube an die Demokratie baden gegangen ist. http://www.buergerforum-ueberwald.de/t978f167-Agrarindustrielle-Verflechtungen-in-der-Politik.html
saubombe1_03.gif

MV könnte guttun, wenn...
ja, wenn man akzeptiert, dass so einiges nicht gut tut,
was erst dann auch zu verändern wäre.

Schwalbe
Beiträge: 34

Re: MENSCH UND LAND 1.0

Beitragvon Schwalbe » Fr 2. Nov 2012, 10:18

Ja, nun haben wir eine Bestandsaufnahme, die nicht überraschend ausfällt. Einerseits Landwirte, die offensichtlich vom bestehenden System profitieren und meinen, so wie bisher soll es auch weitergehen. Andererseits Menschen, die als Bewohner des ländlichen Raumes unter den Auswirkungen der industrialisierten Landwirtschaft leiden oder als Bürger und Verbraucher offensichtliche Fehlentwicklungen benennen. Die Erzeugung von Bioenergie steht weltweit in der Kritik, kein Wunder, dass auch in diesem Forum darüber diskutiert wird.
Ich finde es wichtig, den Begriff "Nachhaltigkeit" sinnerfüllt anzuwenden und zu fragen, wie Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft tatsächlich zu erreichen ist. Dabei sind die globalen Auswirkungen der Entscheidungen vor Ort unbedingt zu berücksichtigen. Es gibt Gremien unabhängiger Wissenschaftler (z.B. Sachverständigenrat für Umweltfragen), die durch Auswertung von Studien und Forschungsergebnissen Handlungsempfehlungen abgeben, die als Orientierungshilfe dienen können. Hier findet man fachliche Einschätzungen, die nicht den Geschmack der Vertretung persönlicher Interessen haben. Wenn ich mir die Diskussionen der letzten Woche im Landtag anschaue, die Redebeiträge von Abgeordneten der SPD und CDU lese und weiß, welche Anträge abgelehnt wurden, dann zweifle ich daran, dass die politische Klasse im Land überhaupt in der Lage ist, Veränderungen zum Nutzen aller in der Agrarpolitik zu bewirken.

einwohner
Beiträge: 58

Re: MENSCH UND LAND 1.0

Beitragvon einwohner » Mo 19. Nov 2012, 19:27

Schwalbe hat geschrieben:
Ja, nun haben wir eine Bestandsaufnahme, die nicht überraschend ausfällt.
Einerseits Landwirte, die offensichtlich vom bestehenden System profitieren und meinen, so wie bisher soll es auch weitergehen...



Doch die Bestandsaufnahme kann durchaus überraschen. Denn Aussagen im aktuellen Arbeitspapier MENSCH UND LAND 1.0 der Expertenkommission und die diesbezüglichen Darlegungen des Agrarministers im Agrarausschuss am 15.11. sind teilweise widersprüchlich.
So steht im Arbeitspapier: Erstens ein Beibehalten und Intensivieren („ProAgrarintensivierung“)
zweitens eine Wende in der Agrarpolitik („Pro‐Diversifizierung“).
Da die meisten Teilnehmer gegenüber der Landwirtschaft, wie sie heute bestehe, „grundsätzlich negativ“ eingestellt gewesen seien (Backhaus) müsste eigentlich die Agrarwende an die erste Stelle.
Wenn die etwa 300 Stellungnahmen zwar verwertbar aber nicht repräsentativ waren (Backhaus), haben wir vielleicht eine Erklärung für die praktizierte Reihenfolge aber nicht dafür, was hier repräsentativ zu sein hat.
Welcher externe unbekannte Maßstab wird hier von wem angelegt?

Überraschend ist auch, dass sich die Zielrichtung des Masterplans im Laufe der Zeit geändert hat.
Vor dem Hintergrund der im Vorjahr veröffentlichten Ergebnisse zum massiven Antibiotika-Einsatz in der Geflügelmast kündigte Minister Backhaus seinen Masterplan so an:
Die Agrarbranche soll sich als prägender Wirtschaftsbereich und größter Landnutzer in das positive Image des Gesundheits- und Tourismuslandes Mecklenburg-Vorpommern einfügen. Der Widerstand von Bürgerinitiativen und Kommunen gegen den Ausbau der Tierhaltung erfordere einen gesellschaftlichen Konsens. www.ndr.de/regional/mecklenburg-vorpomm ... st101.html
Dem Agrarausschuss legte der Minister dar, dass die zunehmende Entfrem­dung der Menschen von ihren natürlichen und wirtschaftlichen Lebensgrundlagen Ausgangspunkt für den Masterplanprozess gewesen sei.
Also nicht mehr die Agrarbranche soll sich in das positive Image des Landes einfügen, sondern die Bewohner müssen verstehen lernen, warum sie gegenüber der funktionierenden Agrarindustrie machtlos sind?
"Die Forderung nach einer Agrarwende wird im Internetforum häufig von Personen vertreten, die zu erkennen geben, dass sie keine Landwirte sind" schreibt die Expertenkommission.
Natürlich wollen die Betroffenen der praktizierten Agrarpolitik häufiger eine Agrarwende als deren Verursacher.
Und im Gegensatz zu den Sauen im Kastenstand können wir uns hier äußern...

Schwalbe
Beiträge: 34

Re: MENSCH UND LAND 1.0

Beitragvon Schwalbe » Do 22. Nov 2012, 21:42

Die "Perspektivkommission Mensch und Land" soll in einem breiten gesellschaftlichen Dialog bis zum Sommer 2013 einen "Masterplan" für die Gestaltung einer nachhaltigen, umwelt- und tiergerechten Land- und Ernährungswirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern ausarbeiten.

Mit dieser Aussage ist die Messlatte für die Arbeit der Perspektivkommission sehr hoch angelegt. Möchte man mit dem Masterplan diese Vorgabe auch nur annähernd erfüllen, würden für die Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern geradezu revolutionäre Veränderungen ins Haus stehen. Derweilen laufen in Brüssel die Verhandlungen zur GAP, und Frau Aigner versucht mit allen Mittel, Kürzungen bei der ersten Fördersäule zu verhindern...

Auch ich bin über manche Formulierungen im Grundlagenpapier MENSCH UND LAND 1.0 gestolpert. Aber ich bin überzeugt davon, dass eine kritische Auseinandersetzung mit Agrarpolitik, unabhängig von den Ergebnissen des Masterplans, nicht aufzuhalten ist. Bündnisse wie "Bauernhöfe statt Agrarfabriken" erhalten verstärkt Zulauf, in den Medien gibt es täglich Beiträge zum Thema, Kirchenvertreter positionieren sich und ganz langsam wachen hoffentlich dann auch einige Politiker aus den Reihen von SPD und CDU auf. Das Urteil des OVG Greifswald zur Hähnchenmastanlage in Kuppentin ist eine schallende Ohrfeige für die Genehmigungsbehörde und wird auch in anderen Verfahren zu berücksichtigen sein. Ich hoffe sehr, dass mit dem Masterplan der angekündigte große Wurf gelingt. Manches lässt sich einfach nicht auf die lange Bank schieben.

einwohner
Beiträge: 58

Re: MENSCH UND LAND 1.0

Beitragvon einwohner » Fr 14. Nov 2014, 20:50

Schwalbe hat geschrieben:
Ich finde es wichtig, den Begriff "Nachhaltigkeit" sinnerfüllt anzuwenden und zu fragen, wie Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft tatsächlich zu erreichen ist. Dabei sind die globalen Auswirkungen der Entscheidungen vor Ort unbedingt zu berücksichtigen.

Welche globalen Auswirkungen die Produktion der Ferkelfabrik am Tollensetal haben wird, kann die aktuelle Studie des WWF verdeutlichen:
"Fleischkonsum schadet dem Klima mehr als der Verkehr".
http://www.nordkurier.de/cmlink/nordkur ... r-1.506087
"Verzichtet jeder Deutsche einmal in der Woche auf Fleisch, sinkt der Ausstoß von klimaschädlichen Gasen um neun Millionen Tonnen - das entspricht etwa 75 Milliarden Kilometern mit dem Auto".

Vor diesem Hintergrund könnte eine Zielrichtung des Masterplans sein, eine wachsende Schicht von Konsumenten mit anderen Veredlungsprodukten zu beglücken statt des tradierten Angebotes der üblichen eingeschweißten Leichenteile:
"An apple a day keeps the doctor away".
Eine Streuobstaktie in MV könnte die Waldaktie in Punkto Klimarettung locker in den Schatten stellen.