Entfremdung der ländlichen Bevölkerung
Re: Entfremdung der ländlichen Bevölkerung
Ich denke, dass es einmal günstig wäre, zu ergründen, weshalb wir Deutschen uns so verhalten. Vielleicht ergäben sich daraus ja Impulse für das weitere Vorgehen, um den Verbraucher davon zu überzeugen, mit weniger Fleisch und mehr regionalen (vegetarischen) Produkten auszukommen und für mehr Qualität auch mehr zu bezahlen.
Re: Entfremdung der ländlichen Bevölkerung
Das ist aber eigentlich ein viel weiter gehendes Thema als die "Entfremdung der ländlichen Bevölkerung von der Landwirtschaft".
Re: Entfremdung der ländlichen Bevölkerung
Konsument angesichts allgemeiner moralischer Appelle zu umweltfreundlichem Konsum,
aber entgegengesetzter realer Anreize, häufig überfordert. Umweltverträglicher Konsum ist
somit eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die eine kollektive
Verantwortungsübernahme erfordert sowie die Schaffung von Strukturen, die dem Einzelnen
umweltfreundlichen Konsum erleichtern und ermöglichen. Die negativen Auswirkungen der
derzeitigen Konsummuster im Bereich Ernährung auf die Umwelt, auf Menschen in anderen
Ländern und auf nachfolgende Generationen sind hinreichend gravierend, um Eingriffe der
Politik zu rechtfertigen.
Im Lichte der Faktoren, die einem umweltverträglichen Konsum gegenwärtig
entgegenwirken, sollte die Politik Maßnahmen ergreifen, die unerwünschte Einflussnahmen
abbauen oder verhindern. Sie könnte zum Beispiel durch Einschränkung der Werbung für
bestimmte Produkte oder für bestimmte Zielgruppen (bereits latent vorhandene) Präferenzen
für umweltfreundliche Lebensmittel aktivieren und stärken sowie instabile
Verbraucherpräferenzen in Richtung umweltgerechter Konsummuster lenken. Außerdem
sollten bestehende verzerrende ökonomische Anreize abgeschafft werden, möglichst durch
die Internalisierung externer ökologischer und auch sozialer Kosten in die Preisgestaltung."
Und hier kommen nämlich unsere Landesregierung, sowie das Landwirtschaftsministerium und seine Kritik würdige Subventionspolitik ins Spiel. Bitte erst mal Hausaufgaben machen, bevor schon wieder an neue Kompetenzzentren- oder Kommissionen gedacht wird!
Folgendes wäre dabei meiner Meinung nach wichtig:
-Kennzeichnung der Haltungsform auf tierischen Lebensmitteln
-irreführende Werbung unterbinden
-Massentierhaltung nicht subventionieren- ökologische und soziale Kosten internalisieren
-Förderung artgerechter Tierhaltung- keine neuen Kapazitäten schaffen, sondern umverteilen
-Förderung des Anbaus von Eiweißträgern im eigenen Land
-Suche nach Partnern und Gleichgesinnten auf Länderebene, gemeinsam Einfluss auf Politik der Bundesregierung/ EU- Kommission nehmen.
Re: Entfremdung der ländlichen Bevölkerung
Ich bin dafür, Dinge dort voran zu bringen und zum Besseren zu wenden (obwohl es sicher auch vom Begriff "Besser" unterschiedliche Ansichten gibt), wo man etwas bewegen kann. Das ständige Draufhauen auf die subventionsverwöhnte Agrarindustrie ist real betrachtet, eine Schimäre. Man stelle sich vor, der EU-Agrarhaushalt würde von einem Tag auf den anderen auf Null gesetzt. Schluss mit allen Subventionen. Die Betriebe, die das sofort und mit ganzer Härte spüren würden, wären die kleinen Landwirte in Europa und ebenso der öklogische Landbau, die einer reinen Marktorientierung überhaupt nicht gewachsen wären. Die Subventionen wirken nämlich in erster Linie strukturkonservierend. Es geht Dir also nicht um Abschaffung, sondern um Umverteilung der Geldströme. Man hätte mit der jetzigen Agrareform sogar einen richtig großen Schritt machen können, indem die erste Säule radikal zurückgefahren wird (bis 2020) auf Null und nur noch "gewollte gesellschaftliche Leistungen" über die zweite Säule finanziert oder besser von der Gesellschaft "eingekauft" werden. Das, so der Wissenschaftliche Beirat des BMELV in seinem Gutachten zur GAP, wäre eine wirkliche Reform. Da waren sich die sogenannte "Agrarlobby" und die Umweltverbände in ungeahnter großer Koalition aber sofort einig, dass das nicht geht. Politik ist also immer die Kunst des Möglichen (Bismarck, Churchill) und nicht des Wünschbaren.
Momentan ist der Bund dabei (mit ausdrücklicher Unterstützung von MV) das Baugesetzbuch zu ändern und auch die Umweltauflagen für nichtbodengebundene Tierhaltung zu verschärfen sowie mehr Tierschutz gesetzlich einzufordern. Noch sind die Gesetze aber so wie sie sind, und wer rechtsstaatlich verbrieft Anträge auf Baugenehmigung oder Förderung stellt, dem darf eine Verwaltung diese gar nicht verwehren, selbst wenn sie das wollte. Egal ob einem die Nase (das Produktionsprofil) persönlich gefällt oder nicht. Wenn sich die Rechtslage ändert, wird die gleiche Verwaltung mit der gleichen Selbstverständlichkeit eine Förderung versagen. Alles andere wäre Diktatur. auch wenn es das vermeintlich Vernünftige ist.
Re: Entfremdung der ländlichen Bevölkerung
Dazu wollen wir mal eine kleine Rechnung machen:
95 Sauen bringen pro Jahr so ca. 25 Ferkel pro Sau , also gesamt 2.375 Ferkel.
Ganz egal, ob man nun den realen Gewinn pro Mastschwein oder verkauften Ferkel berechnet, sollte man dem Landwirt einen mindestens 20.000 € Lohn für seine Leistung pro Jahr zubilligen, das bedeutet, pro erzeugtem Schwein oder Schweinchen müssen 8,42 Gewinn ( nicht zu verwechseln mit Erlös) herauskommen, scheint wenig zu sein, gegenwärtig gibt es im Ökolandbau nicht einmal auskömmliche Preise für den Landwirt. Dazu ist bei diesem Beispiel von einer Arbeitszeit für den Landwirt von 365 Tagen im Jahr ausgegangen, nicht jeder, der hier mitdebattiert, würde solch ein Leben für sich als glücklich finden und nicht jeder würde 20T € für sich und die Versicherung /Steuer als auskömmlich empfinden.
Re: Entfremdung der ländlichen Bevölkerung
LUMV hat geschrieben:
[...]Es gibt unglaublich viele Einrichtungen, Verbraucherorganisationen, Verwaltungen, Krankenkassen, NGO`s etc., die sich alle aus der jeweils eigenen Sicht um Ernährungsberatung, Lebensmittelsicherheit, Verbrauchersicherheit und Bildung kümmern. Was fehlt ist die neutrale, interdisziplinäre Vernetzung dieser Kompetenzen und die Aufbereitung des vorhandenen Wissens für jeweilige Zielgruppen z.B. für ältere Menschen oder für die Kleinsten in den KiTa`s. So könnte u.a. Unterrichtmaterial erstellt oder optimiert werden. Schön fände ich es auch, wenn an unserer Kinderuniversität in Wismar, Vorlesungen zum Thema Lebensmittel, Ernährung, Gesundheit stattfinden würden. Ich glaube, dass man bei den Jüngsten ansetzen sollte und dass man viel Ausdauer braucht, um umzusteuern. Ein "Kompetenzzentrum Ernährung" könnte dabei ein Mosaikstein sein.[...]
das würde ich persönlich sehr angenehm empfinden. Wenn das Wissen verschiedenster Akteure gebündelt wird und zusammen mit der Macht der Landesregierung so der Verbraucher quasi "gesteuert" werden kann. Klar, dass dies seine Zeit braucht, um zu fruchten. Aber den Erfolg könnte man dann ja nach ein paar Jahren evaluieren und anhand dessen das weitere Vorgehen bestimmen. Ich denke, diese Richtung läuft in Teilen auch synchron mit dem von Schwalbe zitierten Sachverständigenrat für Umweltfragen. Denn auch dieser fordert ja
"[...]Sie könnte zum Beispiel durch Einschränkung der Werbung für
bestimmte Produkte oder für bestimmte Zielgruppen (bereits latent vorhandene) Präferenzen
für umweltfreundliche Lebensmittel aktivieren und stärken sowie instabile
Verbraucherpräferenzen in Richtung umweltgerechter Konsummuster lenken[...] (zit. nach Schwalbe)
Daraus lese ich zumindest das von LUMV angesprochene Kompetenzzentrum, das mit Hilfe der Politik auf den Konsumenten Einfluss nehmen kann
Re: Entfremdung der ländlichen Bevölkerung
Zitat LUMV: "Wenn sich die Rechtslage ändert, wird die gleiche Verwaltung mit der gleichen Selbstverständlichkeit eine Förderung versagen."
Die Rechtslage ändert sich nicht von allein. Landtag und Landesregierung sind dafür verantwortlich, dass durch eine vernünftige Gesetzgebung Fehlentwicklungen mit all ihren verheerenden Folgen vermieden werden. Gesetze, die Tierquälereien erlauben und Gesundheitsgefährdungen von Anwohnern, Angestellten und Touristen, sowie schwerwiegende Schädigungen unserer natürlichen Ressourcen zulassen, müssen geändert werden! Und nicht erst, wenn der Druck von unten so groß ist, dass immer wieder kleine, unzureichende Zugeständnisse gemacht werden. Das erwarte ich jedenfalls von den Menschen, die hier in Amt und Würden sind. Auch beschreibt diese Aussage von LUMV eine Spezies von Schreibtischtätern, von denen es in M-V meiner persönlichen Wahrnehmung nach leider zu viele gibt. Ist es Mitarbeitern in Landesbehörden untersagt, ihren eigenen Verstand zu benutzen, und als schlecht und verbesserungswürdig zu bezeichnen, was schlecht und verbesserungswürdig ist? Ist es ihre Aufgabe, Gesetze und Bestimmungen so zu deuten und auszulegen, dass die vorgegebene Linie der Landesregierung (z.B. beim Bau großer Tierhaltungsanlagen) durchgesetzt wird? Muss ein Mitarbeiter des StALU glauben, dass eine Muttersau samt Ferkeln eine brennende Anlage mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h verlassen kann, nur damit die Brandschutzverordnung erfüllt ist? Oder darf laut und deutlich gesagt werden, dass ein Brandschutzgutachten, das solche Werte zugrunde legt, das Papier nicht wert ist, auf dem es geschrieben steht?
Beim Bau der Ferkelfabrik Alt Tellin wurden Landesgesetze (Bau, Brandschutz) außer Acht gelassen, bzw. vergingen viele Wochen, bis das StALU auf Verstöße reagierte. Ohne die Öffentlichkeitsarbeit der Bürgerinitiative "Rettet das Landleben am Tollensetal", so der Eindruck, könnte der Investor tun und lassen, was er will. Wie kann das möglich sein in einem Rechtsstaat? Politiker sind dem Wohl der Menschen verpflichtet. Wir nehmen sie gern beim Wort.